Das Land Juda nach der babylonischen Eroberung

Das Land Juda nach der babylonischen Eroberung

„Und der Herr konnte es nicht mehr ertragen wegen der Bosheit eurer Taten, wegen der Greuel, die ihr verübt habt. Darum ist euer Land zur Trümmerstätte, zum Entsetzen und zum Fluch geworden, ohne Bewohner, wie es an diesem Tag ist.“

So schildert der Prophet Jeremia das Land Juda nach der Eroberung durch Nebukadnezar im Jahre 586 v.Chr. Zweimal hatte der Babylonier-König Teile der Bevölkerung nach Babylon deportieren lassen, und wenig später hatte seine bevorstehende Strafaktion nach der Ermordung Gedaljas eine größere Fluchtbewegung nach Ägypten ausgelöst. Aber war das Land tatsächlich „menschenleer“, wie Jeremia es beschreibt, oder war von Deportation und Flucht nur eine begrenzte Oberschicht betroffen? Die Bibel selbst berichtet davon, daß die Geringen zur Pflege des Landes zurückgelassen wurden. Tatsächlich haben verschiedene Wissenschaftler, u.a. Gabriel Barkai von der Bar Ilan-Universität bei Tel Aviv, in den 1990er Jahren aufgrund verschiedener archäologischer Funde vermutet, daß das Land keineswegs entvölkert war. Barkai hat sogar eine kontinuierliche Besiedlung Jerusalems angenommen. Da aus der relativ kurzen babylonischen Periode kaum Reste erhalten sind, galt die wissenschaftliche Diskussion bislang als sehr schwierig.

In dieser Situation hat Avraham Faust, wie Barkai Archäologe an der Bar Ilan-Universität einen ganz neuen Ansatz gefunden, der darin besteht, nach Spuren der Ereignisse nicht in den Städten, sondern im ländlich geprägten Raum zu suchen. Die Idee ist ebenso einfach wie bestechend. Aufgrund bestimmter Standortvorteile wie der Möglichkeit der Wasserversorgung für eine größere Anzahl Menschen oder der wirtschaftlich wichtigen Lokalisierung an Handelsrouten wurden antike Städte nach einer Zerstörung gewöhnlich an der alten Stelle wieder aufgebaut. Für ländliche Siedlungen, die an den Standort sehr viel geringere Anforderungen stellten, bestand keine solche Notwendigkeit. Deshalb wurden kleine Dörfer, Weiler oder Bauerngehöfte nach einem längeren Siedlungsabbruch auch nur selten auf den alten Ruinen wiedererrichtet. Sehr viel zweckmäßiger war die Wahl eines neuen Baugrundes in der Umgebung. Es waren solche Überlegungen, die die Aufmerksamkeit Fausts auf die landwirtschaftlich geprägten Gebiete Judas richteten. Der Wissenschaftler untersuchte kleine Siedlungen im Umland von Jerusalem, in der Gegend von Bethlehem und andere Flecken. Das Ergebnis war verblüffend. Faust merkt dazu an: „Das Bild, das sich für all die oben diskutierten Fundorte ergibt, ist ganz eindeutig. Es existiert nur an sehr wenigen Stellen eine Kontinuität zwischen der Eisenzeit [vor der babylonischen Eroberung, U.Z.] und der persischen Periode [nach der Rückkehr aus dem Exil, U.Z.]. Für die außerordentlich wenigen Orte, für die eine Kontinuität existiert haben könnte, ist es schwer zu entscheiden, ob die neuen Siedlungen nicht zufällig auf den älteren Stellen errichtet wurden.“

Um sein Modell weiter zu testen, nahm Faust zusätzlich den Befund in Regionen außerhalb Judas, u.a. im samaritischen Bergland und in Nordsamaria in Augenschein. War seine Deutung des Befundes für Juda richtig, wonach das unterbrochene Siedlungsmuster ein starkes Indiz für eine weitgehende Entvölkerung des Landes war, so sollte sich für die Gebiete jenseits von Judas Grenzen, die von den Ereignissen nicht in gleicher Weise betroffen waren, ein anderes Bild ergeben. Auch diese These bestätigte sich. Hinsichtlich des samaritanischen Berglandes faßt der Autor den Befund als „beeindruckende Kontinuität vom achten Jahrhundert v.Chr. bis in die Hellenistische Zeit [im dritten Jahrhundert, U.Z.]“ zusammen. Der fast vollständige Siedlungsabbruch im ländlichen Gebiet von Juda offenbart deshalb, daß die Aussage Jeremias vom „Land ohne Bewohner“ in keiner Weise übertrieben war.

UZ

[Faust A (2003) Judah in the Sixth Century BCE in a Rural Perspective. Palestine Exploration Quarterly 135, No.1, 37-53.]

Ursprünglicher Artikel: https://si-journal.wort-und-wissen.org/sij/article/view/3764/7195