Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament

Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament

Die Evolutionslehre scheint auf den ersten Blick in keinem Zusammenhang mit Aussagen des Neuen Testaments zu stehen. Tatsächlich sind aber das Kommen, das Leiden und Sterben Jesu nur vor dem Hintergrund des Sündenfalls des Menschen zu verstehen, durch den der Tod in die Welt kam. In evolutionstheoretischer Sicht gibt es einen solchen Einschnitt jedoch nicht. Das Kommen und Wirken Jesu passt daher nicht in das Geschichtsbild der Evolution.

1.0 Inhalt

In diesem Artikel wird gezeigt, welche Folgen die Akzeptanz einer evolutiven Abstammung des Menschen aus dem Tierreich für das Verständnis des Neuen Testaments und seiner Botschaft von Jesus Christus hat

1.1 Einleitung

In der gegenwärtigen Theologie wird die Evolutionslehre weitgehend akzeptiert. Sie betreffe die Inhalte des christlichen Glaubens nicht. Nach verbreiteter Auffassung könne die Theologie den Naturwissenschaften das „Wie“ der Schöpfung überlassen; dem christlichen Zeugnis sei nur das „Dass“ wichtig. Die biblischen Aussagen über „Schöpfung“ könne man auch vertreten, wenn man von einer allgemeinen Evolution ausgeht. Doch das trifft in Wirklichkeit keineswegs zu. Um dies nachvollziehen zu können, werden zunächst wichtigsten Inhalte der Evolutionslehre (das „Wie“) zusammengestellt.

1.2 Unverzichtbare Inhalte aller Evolutionstheorien

Zu den notwendigen Voraussetzungen für Evolution, ohne die eine Evolution (auch eine theistische, d. h. von Gott gelenkte oder initiierte Evolution) nicht stattfinden kann, gehören u. a.:

  • Alle Organismen sind in einem einzigen Stammbaum verbunden, an dessen Wurzel einzellige Organismen stehen.
  • Der Artenwandel vollzieht sich in Populationen [= in Fortpflanzung miteinander stehende Angehörige derselben Art], d. h. es genügt nicht die Änderung einzelner Tiere oder Pflanzen, sondern die Arten müssen sich als ganze ändern. Insbesondere gibt es kein erstes Menschenpaar (Abb. 138).
  • Die bekannten Mechanismen der Evolution sind für den Veränderungsprozess (vielleicht nicht ausschließlich, aber doch notwendig) erforderlich (Abb. 139).
  • Ohne den individuellen Tod und ohne den Artentod (Aussterben) gibt es keine Evolution.
  • Nicht nur Körpermerkmale, sondern auch Verhaltensweisen sind aus den Gesetzmäßigkeiten der Evolution (mindestens teilweise) zu erklären (vgl. Abb. 140).
  • Die Menschheitsgeschichte ist am äußersten zeitlichen Rand der Kosmosgeschichte angesiedelt.

Abb. 138: Solche Bilder von „Affenmenschen“ beinhalten zwar mehr Phantasie als Realität, dennoch gehören solche Vorstellungen zur Theorie einer Abstammung des Menschen aus dem Tierreich.

Abb. 139: Einer schlägt den anderen: das ist eine der wichtigsten Triebfedern evolutionärer Entwicklungen. Schöpfung durch Evolution heißt Schöpfung durch Kampf ums Dasein.

Abb. 140: Konkurrenz als Triebfeder. „In der Hand die Atombombe und im Herzen noch immer die archaischen Instinkte unserer prähistorischen Ahnen“ (K. Lorenz). Ein solches Verständnis ergibt sich konsequenterweise aus der Evolutionslehre, auch wenn sie theistisch interpretiert wird.

1.3 Heilsgeschichtliche Zusammenhänge

Die Vorstellung, der Mensch habe sich langsam aus dem Tierreich emporentwickelt, ist mit dem Zeugnis des historischen Sündenfalls unvereinbar. Worin sollte der Sündenfall bestanden haben? Alles, was der Mensch und seine angenommenen Vorfahren getan haben, war gut und notwendig für die Höherentwicklung. Sünde und Schuld im biblischen Sinne kann es im Evolutionsdenken nicht geben. Damit könnte der Mensch aber auch nicht für seine Sünde zur Rechenschaft gezogen werden. Die Erlösung durch das Blut Jesu wird dadurch unnötig, ja geradezu sinnlos. Das zentrale Thema der Bibel, Gottes Heilsgeschichte mit den Menschen, ginge an der Wirklichkeit vorbei.

Paulus nennt den ersten Adam, durch den die Sünde in die Welt kam, in einem Atemzug mit dem zweiten Adam, Christus, der die Erlösung von der Sünde bewirkt hat (Röm 5,12ff.) (Abb. 141). Wer war Adam im evolutionären Modell? Im Evolutionsmodell ist Adam als Person schwer vorstellbar. Durch ihn kann also die Sünde mit der Todesfolge nicht in die Welt gekommen sein. Wenn Paulus daher über Adam bildlich gesprochen hätte, warum sollte sich das in seinen Aussagen über Jesus Christus anders verhalten?

Abb. 141: Adam und Jesus Christus stehen einander gegenüber. Ihre Taten haben jeweils Bedeutung bzw. Folgen für alle Menschen.

Petrus verweist auf einen Zusammenhang zwischen Sintflutgericht und Endgericht (2 Petr 3,3-10). Auch Jesus bestätigt die Historizität der Sintflut (Mt 24,37–39).

Jesus selbst beruft sich mehrmals auf die ersten Seiten der Bibel und geht mit ihnen wie mit einem Tatsachenbericht um. So betont er auch die Erschaffung des ersten Menschenpaares und die Ehe als ursprüngliche Schöpfungsordnung Gottes (Mt 19,4f.).

Schließlich: Ist in einer evolutiven Sicht die Erwartung der baldigen Wiederkunft Jesu noch möglich? Eine in Millionen Jahren gezählte Urgeschichte der Menschheit lässt diese Hoffnung leicht in der Ungewissheit ferner Jahrmillionen verblassen, wenn mit einem solchen Ereignis überhaupt noch ernsthaft gerechnet wird. Manche evolutionistische Zukunftsentwürfe deuten Jesu Wiederkunft völlig in ein Zum-Ziel-Kommen der Evolution um (Teilhard de Chardin), das mit dem biblischen Zeugnis vom göttlichen Gericht und der göttlichen Neuschöpfung von Himmel und Erde nichts mehr zu tun hat.

Abb. 143: Zwischen den Ereignissen der Urgeschichte und dem Neuen Testament bestehen vielfaltige Beziehungen. Insbesondere ist das Kommen und Wirken Jesu nur vor dem Hintergrund der biblischen Urgeschichte verstehbar.

Diese Beispiele machen deutlich, dass die biblische Urgeschichte mit zentralen Heilsaussagen der gesamten Heiligen Schrift unauflösbar verwoben ist (Abb. 143). Oder: Die biblische Urgeschichte steckt – als tatsächliches Geschehnis in der Menschheit – fest verwoben im Neuen Testament (Abb. 143).

1.4 Die Bedeutung des Todes

Ohne den Tod wäre Evolution nicht möglich. Stellvertretend zitieren wir dazu den Biologen Hans Mohr: „Gäbe es keinen Tod, so gäbe es kein Leben. Der Tod ist nicht ein Werk der Evolution. Der Tod des einzelnen ist vielmehr die Voraussetzung für die Entwicklung des Stammes… Wenn wir also die Evolution des Lebens als ein in der Bilanz positives Ereignis, als die ‘reale Schöpfung’, ansehen, akzeptieren wir damit auch unseren Tod als einen positiven und kreativen Faktor“ (Leiden und Sterben als Faktum in der Evolution. Herrenalber Texte 44, 1983, S. 9–25).

Der Tod als notwendige Voraussetzung zum Hervorbringen des Lebens! Nichts könnte weiter von der biblischen Sicht des Todes entfernt sein (Röm 6,23; 1 Kor 15,26). Der Tod ist der Feind des Lebens, der von Jesus am Kreuz und durch seine Auferstehung besiegt wurde, und nicht ein lebensspendender Faktor. Hier liegt ein zentraler Grundwiderspruch zwischen theistisch-evolutionistischen Vorstellungen und Inhalten der Bibel (Abb. 142).

Abb. 142: Gegensätzliche Beurteilung der „Kehrseiten“ der Schöpfung: Im Rahmen der Evolutionslehre ist das „Destruktive“ positiv zu werten als Voraussetzung der Höherentwicklung und damit der Entfaltung des Lebens; nach der biblischen Lehre dagegen ist es negativ – ein Zeichen des Verdorbenseins der Schöpfung.

Nach biblischem Zeugnis sind der geistliche sowie der leibliche Tod eine Folge der Sünde (Röm 5,12ff.) und mitnichten ein Schöpfungsmittel. Dass die ganze Schöpfung vom Tod als Sündenfolge betroffen ist, macht besonders Röm 8,19ff. deutlich, wo bezeugt wird, dass die ganze Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen wurde (und zwar nicht freiwillig, das heißt nicht durch eigene Schuld, sondern aufgrund der Ungehorsams-Tat des ersten Menschenpaares) (vgl. „Biblische Aussagen zur Existenzweise der Lebewesen“, https://genesis-net.de/s/0-5/2-2/ ). Sie seufzt darunter und wartet wie die Christen auf Erlösung. Auch die theistisch geprägte Evolutionsvorstellung vom Tod ist also das genaue Gegenteil zur biblischen Lehre.

1.5 Schlussfolgerungen

Eine allgemeine Evolution hat auch in theistischer Interpretation Folgen für grundlegende Aussagen der Bibel, insbesondere des Neuen Testaments. Was wäre, wenn das Fundament der Schöpfung durch (theistische) Evolution ersetzt werden würde? Was wäre, wenn Gott durch Evolution geschaffen hätte?

1. Es gäbe kein erstes Menschenpaar (dagegen: Mt 19,3-8; Röm 5,12ff.). Damit bräche die Gegenüberstellung Adam – Christus zusammen.

2. Gott hätte den Menschen als Sünder erschaffen. Die Rechtfertigung des Sünders durch den stellvertretenden Sühnetod Jesu würde keinen Sinn mehr machen.

3. Gott hätte den Tod als schöpferisches Mittel eingesetzt. In biblischer Sicht ist der Tod jedoch ein Feind (1 Kor 15,26) und er ist durch Jesus entmachtet worden (2 Tim 1,10).

1.6 Literaturhinweise

Eine kompakte Zusammenfassung der Thematik bietet: Reinhard Junker: Jesus, Darwin und die Schöpfung. Warum die Ursprungsfrage für die Christen wichtig ist. Holzgerlingen, 2. Auflage 2004, https://www.wort-und-wissen.org/produkt/jesus-darwin-und-die-schoepfung/.

Ausführlich wird diese Thematik behandelt in: Reinhard Junker (1994) Leben durch Sterben? Schöpfung Heilsgeschichte und Evolution. Studium Integrale. Neuhausen.

Mit der theologischen Problematik einer theistischen Evolution beschäftigt sich auch Werner Gitt in Teilen des Buches „Schuf Gott durch Evolution?“ Neuhausen.

Aktualisiert am 07.01.2024 (B. Scholl); © beim Autor: Reinhard Junker, 03.02.2005

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