Salomos Pharaonentochter und die Feldstudie in Jerusalem
Abb.1 Statue einer Königin. Foto: P. van der Veen, mit freundl. Genehmigung des anonymen Besitzers.
In 1. Könige 3,1 und 7,8 wird erzählt, wie König Salomo die Tochter eines ägyptischen Pharaos zur Hauptfrau genommen hatte. Vielleicht hatte sich der Pharao zu dieser Handlung verpflichtet gefühlt, da ihm Salomo zu mächtig geworden war und er nur über eine Heirat mit Salomo die Chance sah, weiterhin seinen Einfluss über Teile der Levante geltend zu machen.
Gibt es ägyptische Funde aus der Zeit Salomos in Jerusalem, die auf eine solche politische Beziehung mit Ägypten hindeuten? Es könnte tatsächlich so sein.
Professor G. Barkay (Dozent für Biblische Archäologie an der Universität Bar-Ilan, Israel) veröffentlichte 1996 einen Artikel in der Zeitschrift Israel Exploration Journal 46, in dem er ägyptische Funde diskutierte, die während einer Periode von mehr als 100 Jahren nördlich des Jerusalemer Damaskustors entdeckt worden waren. So erwähnte er u.a. ein Fragment einer ägyptischen Grabesstele, importierte Alabastergefäße, eine ägyptische Statuette einer Gottheit, ein Säulenkapitell und einen Herzskarabäus. Viele dieser Stücke datieren aus der 19. Dynastie.
Seit 2006 habe ich angefangen, in einer postdoktoralen Studie in Zusammenarbeit mit Dr. John Bimson (Dozent für Altes Testament und Archäologie am Trinity College Bristol, UK) für die Uni Bristol diese Funde genauer unter die Lupe zu nehmen. Einen zusätzlichen Impuls bekam die Arbeit 2006, als ein Kollege in einer Privatsammlung eines deutschen Professors Kopf und Büste einer ägyptischen Königinnenstatue entdeckte, die im nordwestlichen Stadtteil Jerusalems bei Straßenbauarbeiten gefunden worden war, ca. 500m entfernt vom Ort, woher die andere Stücke kamen (Abb. 1). Auch dieses Stück datiert aus der 19. Dynastie und zwar mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Regierungszeit des berühmten Pharaos Ramses II (konventionell im 13. Jh. v. Chr.).
Sommer 2007 folgte eine kurze Vorstudie vor Ort (zusammen mit Dr. David Ellis, Genesis Foundation, Cambridge, und Johannes Schweinsberg), während der zwei weitere interessante ägyptische Fundstücke, ein Fuß einer Grabesfigurine und ein Deckel eines Alabastergefäßes entdeckt wurden. Seit einem Jahr arbeiten wir nun systematisch an einem breiter ausgelegten Projekt. Dadurch soll u.a. ein klarerer Überblick verschafft werden über die exakte Herkunft und das Ausmaß der ägyptischen Präsenz in Jerusalem.
Abb.2 Statue eines hohen Beamten. Foto: J. Schweinsberg, mit freundlicher Genehmigung der israelischen Antikenbehörde.
Im August haben wir (mit einem deutsch-englischen Team unserer Arbeitsgruppe und mit Genehmigung der israelischen Antikenbehörde) mehrere Gebiete in Jerusalem und Umgebung erforscht. Auch wenn dabei manche frühere etwas voreilige Schlussfolgerung widerlegt wurde (es konnte z.B. nicht bestätigt werden, dass es in diesem Gebiet einen ägyptischen Tempel gegeben hat), erhärtet sich das Bild, dass es in Jerusalem während der 19. Dynastie (um 1200 v. Chr.) eine größere ägyptische Präsenz gegeben haben muss. Tatsächlich belegen ägyptische Quellen aus dieser Zeit, dass nordwestlich von Jerusalem (wo wir ebenfalls Bodenuntersuchungen vorgenommen haben) und in Jerusalem selbst ägyptische Soldaten stationiert waren. Die wohl aufregendste Entdeckung dieses Jahres war die „Wiederentdeckung“ einer zweiten ägyptischen Statue eines hohen Amtsträgers in den Lagerhallen der Antikenbehörde (Abb. 2). Sie war 1951 in Jerusalem (unweit der Stelle, wo die andere Statue gefunden worden war) entdeckt und den Behörden übergeben, jedoch noch nie publiziert worden. Die fragmentarische Inschrift auf der Rückseite scheint zu betonen, dass es sich hier um eine Weihgabe für den Gott Osiris handelt. Erneut stammt das Stück aus der 19. Dynastie.
Was nun haben diese Funde mit Salomos Ehefrau zu tun? Manche „Info“-Leser dürften mit der von Uwe Zerbst und mir in unseren Büchern (Biblische Archäologie am Scheideweg? sowie Keine Posaunen vor Jericho? und Von Ur bis Nazareth) vorgeschlagene Revision der Chronologie von ca. 200 Jahren vertraut sein. Wie in der Einleitung zur neuen Auflage von „Keine Posaunen vor Jericho?“ (2009) betont wurde, arbeiten wir zusammen mit einem internationalen Team von Altorientalisten und Ägyptologen an mehreren Problemen in der Chronologie Ägyptens, Mesopotamiens und der Levante und es kristallisiert sich heraus, dass eine Verkürzung von ca. 200 Jahren manche Fragen durchaus lösen könnte. Eine solche Verkürzung der Zeitrechnung hätte sehr wahrscheinlich zur Folge, dass die Fundstücke aus der ägyptischen 19. Dynastie nun auf die Zeit der frühen Könige Israels, David und Salomo, um 1000 v. Chr. datieren könnten. In diesem Fall würden die ägyptischen Funde aus Jerusalem der Königstochter oder wahrscheinlicher noch ihren Gefolgsleuten (Hofstaat und Militär) gehört haben. Bis heute fehlt jedoch noch eine direkte Verbindung zwischen dem ägyptischen Material und König Salomo. Auf alle Fälle sind diese Funde einzigartig in der Archäologie Jerusalems und es steht fest, dass sie auf wichtige politische Beziehungen zwischen dem Jerusalemer Hof und den Ramessiden-Pharaonen der 19. Dynastie hinweisen.
Eine weitere Feldstudie ist für Sommer 2010 geplant und es bleibt zu hoffen, dass sich die Bedeutung der Funde für die biblische Archäologie klar herausstellen wird. Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie demnächst auch auf der Website von Wort und Wissen (www.wort-und-wissen.de).
Peter van der Veen
Ursprünglicher Artikel: https://www.wort-und-wissen.org/info/4-09/