Silberfund aus „dunkler“ Zeit
Ein bedeutender Silberfund wurde in der Nähe des antiken Mittelmeerhafens von Dor, südlich von Haifa ans Tageslicht gefördert. Die Gruppe um den Archäologen Ephraim Stern von der Hebräischen Universität in Jerusalem war bereits 1995 auf den schlichten Tonkrug gestoßen. Um die stratigrahische Einordnung eindeutiger zu ermöglichen, wurde er aber erst ein Jahr später, während der folgenden Grabungskampagne geborgen. Zur Überraschung der Ausgräber enthielt das Gefäß etwa 8,5 Kilogramm Silberschekel in Einheiten zu je 490,5 Gramm. Was den Fund besonders interessant macht, ist seine zeitliche Zuordnung. Aus Keramikfunden in derselben Schicht läßt er sich konventionell in das späte 11. oder frühe 10. Jahrhundert v.Chr. datieren, einer Zeit, die archäologisch als „dunkles“ Zeitalter gilt. Wenig Konkretes ist aus dieser Zeit bekannt, in der die Zivilisationen im gesamten östlichen Mittelmeerraum von Griechenland über Anatolien und Palästina bis hin nach Ägypten nachhaltig erschüttert wurden. Von vielen Forschern wird die kulturelle Katastrophe mit der Völkerwanderung der Seevölker in Verbindung gebracht. Diese ethnischen Gruppen – am bekanntesten sind die Philister, während der späten Richterzeit und der frühen Königszeit die wichtigsten Feinde des Volkes Israel – waren in mehreren Wellen von ihren Wohnsitzen irgendwo in der Ägäis aufgebrochen, um auf dem Festland im Osten eine neue Heimat zu finden. Auf ihrem Zug hatten sie eine Spur der Verwüstung hinterlassen.

Abb. 1: Silberschekel
An der Küste nördlich des philistäischen Siedlungsgebietes hatten sich die Sikils niedergelassen und dort den Hafen von Dor errichtet. Mitte des 11. Jahrhunderts v.Chr. zerstörten phönizische Siedler die Sikil-Stadt, im frühen 10. Jahrhundert folgten ihnen die Israeliten unter König David. Die Archäologen datieren den Silberfund in die phönizische Zeit. Der Krug war – wohl in der Erwartung eines Unglücks – im Boden eines Hauses vergraben worden. Sein Besitzer kehrte nicht mehr zurück und so wurde er bei der Zerstörung der Stadt im Schutt begraben.
Von anderen Silberfunden aus der Zeit unterscheidet sich der Fund von Dor dadurch, daß es sich zum größten Teil nicht um Schmuckgegenstände, sondern um Bruchstücke aus einer gegossenen Platte – äußerlich vergleichbar mit einer Tafel Schokolade – handelt. Die Stücke waren in Leinensäckchen verstaut und mit Tonabdrücken versiegelt. Solche textilen „Geldbörsen“ scheinen allgemein in Anwendung gewesen zu sein. Im ersten Buch Mose, Kap. 42 werden sie im Zusammenhang mit dem Bericht um Josefs Brüder mit „zeror kesef“ bezeichnet. Die nach Gewicht abgewogenen Silberschekel waren die Vorgänger der Münzwährung die erst seit der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends in Mode kam. Rätsel gibt den Forschern das Siegel auf, mit dem die Säckchen verschlossen wurden. Daphne Ben-Tor, ein Experte des Israel-Museums datiert das Siegel auf etwa 1750 v.Chr., gut 700 Jahre bevor der Krug mit dem Schatz durch seinen letzten Besitzer vergraben wurde. Wie dieser in den Besitz des Siegels gelangt ist, wird wohl ein ungelöstes Geheimnis bleiben.
Wichtiger als das Silber ist für die Forscher der Fundkontext, v.a. die Keramikreste, von denen man sich neue Aufschlüsse für die zeitliche Eingrenzung des „dunklen“ Zeitalters erhofft. Es scheint so, als sei dies eher zu Ende gegangen, als bisher angenommen.
[Stern E (1998) Buried Treasure. The Silver Hoard from Dor. Bibl. Archaeol. Rev. 24, Juli/August, 46-51] UZ
Ursprünglicher Artikel: https://si-journal.wort-und-wissen.org/sij/article/view/4000/7648