2008 und die Biblische Archäologie
2008 war sowohl für die Archäologie Jerusalems wie auch für uns als Arbeitsgruppe für Biblische Archäologie bei der Studiengemeinschaft Wort und Wissen ein ganz besonderes Jahr.
Abb. 1: Professor Ronny Reich in der Davidstadt. (Bild: J. Schweinsberg)
Bereits Anfang des Jahres berichtete die Jerusalem Post von der Entdeckung eines schwarzen Siegels aus der Davidstadt (südlich des Tempelbergs) aus der Zeit Nehemias. Die Ausgräberin Dr. Eilat Mazar vermutet, dass die Eigentümerin (!) des Siegels (eine Frau namens „Schelomit“) vielleicht sogar die aus 1. Chron. 3,19 bekannte Schwiegertochter des Statthalters Serubbabel (also direkt nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil) gewesen sein könnte. Weitere Siegelfunde sollten im gleichen Jahr folgen. Unweit der Gihonquelle (südlich der Grabung Eilat Mazars) entdeckte Prof. Ronny Reich (Chef der Ausgrabungen der Davidstadt) kurz darauf ein Siegel mit der Inschrift „Gehört dem (hohen Beamten) Rapijahu, dem Sohn Schallums.“ Es stammt aus dem späten 8. Jh. v. Chr., und somit aus der Zeit des Propheten Jesaja. Nahe der Klagemauer wurden ebenfalls Siegel entdeckt, u.a. das eines hohen Beamten namens „Netanjahu, dem Sohn Jaoschs“ und das eines hochrangigen Militärführers, dessen Rang als Hauptmann der Bogenschützen mit dem Bild eines Bogenschützens auf dem Siegel ausgeschmückt wurde. Beide Siegel stammen aus dem 7. Jh. v. Chr. und möglicherweise aus der Zeit des abtrünnigen Königs Manasse (dem Sohn Hiskias). Eine größere Bedeutung für die Bibelforschung hat jedoch ein anderes Siegel aus der Grabung Eilat Mazars in der Davidstadt, das erst vor wenigen Monaten ans Licht kam. Dort wird auf einem Tonabdruck der aus dem Buch Jeremia Kap. 38,1 bekannte Minister „Gedalja, der Sohn Paschhurs“ erwähnt, der für die Inhaftierung Jeremias verantwortlich gewesen ist.
Auch die Arbeitsgruppe für Biblische Archäologie/ABA erlebte 2008 mehrere Höhepunkte. So erfuhr sie einen beträchtlichen Zuwachs vor allem (und das war immer ein besonderes Anliegen) von jungen gläubigen Wissenschaftlern aus den relevanten Fachbereichen. Die neuen Teilnehmer sind inzwischen aktiv in die Arbeit der ABA eingebunden. Zu diesen Arbeitsbereichen gehören z. B. die Vorbereitung eines neuen Bandes über die Archäologie der erzväterlichen Zeit, die Durchführung einer Feldstudie über eine ägyptische Siedlung in Jerusalem nördlich des Damaskustors (möglicherweise aus der Zeit König Salomos), und die Vorbereitung und Durchführung archäologischer Fachtagungen. Denn die Tagungen sind inzwischen mit ca. 180 Besuchern so gut besucht, dass eine gut durchstrukturierte Organisation erforderlich geworden ist. Mithilfe der Arbeitsgruppe war es dann auch möglich die Tagung im Oktober erfolgreich durchzuführen und dafür sind wir sehr dankbar. Sie fand erneut auf dem Schönblick (bei Schwäbisch Gmünd) statt. Dieses Mal ging es um die Erzväter. Die Tagung galt primär als Vorbereitung für den geplanten Band zum gleichen Thema. In einer Reihe von Vorträgen wurden unterschiedliche Themen (bezüglich des Alters der Genesis und des kulturellen Umfelds der Erzväter) aus verschiedenen Perspektiven behandelt und diskutiert.
Abb. 2: Vase aus der Zeit Abrahams. (Bild: D. Grushko / Arch. Ausstellung Schönblick und W+W)
Ein weiterer Höhepunkt war die Eröffnung der biblisch-archäologischen Ausstellung auf dem Schönblick. Dort werden in sechs Vitrinen anhand von archäologischen Stücken vor allem die Themen behandelt, die unmittelbar mit unserem Forschungsbereich der AGA (wie die Archäologie der Erzväter, des Auszugs und der Landnahme und der Königszeit in Israel) zu tun haben (s. Abb. 2). Die große Vitrine (am Ende der Ausstellung) behandelt das Thema Jerusalem als religiöses und politisches Zentrum in biblischer Zeit. Dieses Thema behandelt die nächste Fachtagung Archäologie, die vom 19.-21. Juni 2009 wieder auf dem Schönblick stattfinden wird. Die Hauptredner dieser Tagung, Professor Ronny Reich (Chef der Ausgrabungen in Jerusalem, s. Abb. 1) und Dr. Leen Ritmeyer, beide renommierte Jerusalem-Experten, werden kompetent in das Thema einführen (s. den beigelegten Flyer). Erneut soll die Welt der Bibel wie auch die Zuverlässigkeit der biblischen Geschichtsschreibung im Mittelpunkt stehen.
Ein weiterer Höhepunkt des vergangenen Jahres war die Fortsetzung und fachliche Vertiefung unserer Chronologie-Arbeit. Im Rahmen der im Jahr 2005 angefangenen internationalen Fachgruppe für Antike Chronologie der Späteren Bronzezeit bis ans Ende der Eisenzeit („BICANE“) werden Probleme in der herkömmlichen Chronologie untersucht und zu gleicher Zeit wird auch an einem alternativen Modell gearbeitet, das künftig für die Biblische Archäologie zunehmend von Bedeutung sein wird. Achtzehn der fünfundzwanzig Mitglieder der Gruppe (alle aus den Disziplinen der Ägyptologie, Assyriologie und Archäologie) kamen dieses Jahr in Cambridge zusammen. Manche waren sogar aus Australien, Kanada und den USA angereist. Das nächste Kolloquium soll Ende Juni 2009 an der Universität Exeter stattfinden und wird sich voraussichtlich mit dem prägnanten Thema „das Großreich Salomos und die Archäologie Israels“ beschäftigen.
Wir sind sehr dankbar für die vielen offenen Türen, die Gott uns in den vergangenen Jahren geschenkt hat.
Peter van der Veen
Ursprünglicher Artikel: https://www.wort-und-wissen.org/info/1-09/