Katastrophe auf hoher See vor 2750 Jahren
Sie waren auf dem Weg von der phönizischen Hafenstadt Tyros nach Nordafrika, als sie mit Hunderten von Weinamphoren im Laderaum in schwere See gerieten und sanken. Diese Behältnisse sind neben einem Ständer für Weihrauchopfer zur – offensichtlich vergeblichen – Besänftigung des Wettergottes, Steingutgefäßen zur Nahrungszubereitung und einer Weinkaraffe möglicherweise die einzigen Gegenstände, die die Jahrhunderte auf dem Grund des Meeres überstanden. Alle hölzernen Wrackteile sind vollständig verschwunden. Die beiden Schiffe wurden im Sommer 1999 auf der Höhe von Askalon etwa 30 Meilen (55 Kilometer) vor der israelischen Küste geortet. Ein Zufallsfund: eigentlich galt die Suche des Amerikaners Robert Ballard, bekannt durch die Wiederentdeckung der Titanic, einem gesunkenen israelischen U-Boot. Die Dunkelheit in fast 500 Metern Tiefe, der hohe Wasserdruck und die niedrigen Temperaturen sind die Ursache dafür, daß die Amphoren praktisch unverändert erhalten sind. In den nächsten Monaten ist ihre Bergung vorgesehen. Aber auch jetzt schon lassen die Funde eine Reihe von Schlußfolgerungen zu. Lawrence Stager, Archäologe der Harvard-Universität schätzt das Alter der Wracks auf etwa 750 v.Chr. Damit sind es die ältesten Überreste von Hochseeschiffen, die je gefunden wurden. Aus der Lage der Amphoren läßt sich folgern, daß die Länge eines der beiden Schiffe etwa 18 Meter betrug, die Größe der Crew schätzt Stager auf jeweils ein halbes Dutzend Seeleute. Die Phönizier waren eine der großen Seefahrernationen der Geschichte. Zwischen ca. 1200 und 146 v.Chr. besiedelten sie den heutigen Libanon sowie eine große Anzahl von Kolonien entlang der gesamten Mittelmeerküste. Möglicherweise sollte die Reise zu einer dieser Kolonien, dem nordafrikanischen Karthago führen, evtl. war aber auch Ägypten das Ziel. Die Route, der die Schiffe offensichtlich folgten, war für die Forscher eine weitere Überraschung. Ballard ist überzeugt, daß er unter Einsatz seiner Technik, dem Unterwasser-Roboter Jason, der in Verbindung mit einem Satellitenortungssystem und einem ausgeklügelten Sonarsystem operiert, künftig eine große Anzahl weiterer Schiffswracks entdecken wird, die ein großes Potential für die zukünftige archäologische Forschungsarbeit darstellen.
[Search for Phoenician Shipwrecks. Biblical Archaeology Review 25 (1999), 16] UZ
Ursprünglicher Artikel: https://si-journal.wort-und-wissen.org/sij/article/view/3955/7561