Auf der Suche nach König David
Während ich noch vor wenigen Wochen auf der Grabung in Ramat Rachel (am Südrand von Jerusalem) war, brachten mehrere Zeitungen in Israel und den USA die neue Entdeckung aus Jerusalem: „King David’s Palace is Found, Archaeologist Says“ (New York Times 5. August 2005). Seit 5 Monaten gräbt die Enkelin des verstorbenen Archäologen Professor Benjamin Mazar in der Davidstadt.
Abb. 1: Ramat Rachel (2005): Oded Lipschits (Grabungsdirektor) und Peter van der Veen untersuchen einen Krughenkel mit dem Stempelsiegel eines hohen Beamten aus der Zeit des biblischen Königs Hiskia. (Bild: J. Schweinsberg)
Die Grabung von Eilat Mazar ist politisch höchst umstritten. Sie gräbt auf dem Gelände der jüdischen Siedler im arabischen Dorf Silwan, das auf den vermeintlichen Überresten der Davidstadt auf dem Hügel südlich des Tempelbergs errichtet wurde. Funde, die die alte Geschichte des jüdischen Volkes und die des Königs David an diesem Ort belegen sollen, sorgen unumgänglich für Zündstoff, nicht nur unter Arabern, sondern auch unter Archäologen und Bibelkritikern, die die biblische Vergangenheit in den letzten Jahren immer mehr in Frage gestellt haben.
Dies ist einerseits nachvollziehbar, da man bis heute ja gerade in der Davidstadt kaum Entdeckungen aus der Zeit Davids gemacht hat. Der Archäologe Ronny Reich von der Universität Haifa sagte kürzlich in einem Interview mit dem ZDF: „Ich habe jahrelang an verschiedenen Stellen in der ‘Davidstadt’ gegraben, aber was ich bis jetzt vorweisen kann, sind nur ein paar Hände voll Scherben, die man mit einiger Sicherheit auf das 10. Jahrhundert [d.h. die Zeit des Königs David] datieren kann.“
Abgesehen von zwei Hinweisen auf das ‘Haus Davids’ in Inschriften aus dem späten 9. Jh. v. Chr. gibt es tatsächlich über David aus der Archäologie kaum etwas zu berichten. Und dennoch hebt gerade die Bibel die Zeit der Könige David und Salomo als Glanzzeit hervor, während der man in Jerusalem viel gebaut haben soll. So stellt sich einer der Autoren des unlängst erschienenen Fernsehbegleitbuches zur ZDF-Dokumentarreihe „Das Bibelrätsel“ (eine Buchrezension zu diesem Band erscheint im nächsten Info) die Frage, „warum die Bibel diesen kleinen [gemeint ist archäologisch unbedeutenden] Anfang so groß macht …“ (S. 157).
Was nun hat Eilat Mazar entdeckt, das so bedeutend ist? Oberhalb einer gewaltigen Terrassenanlage bzw. Steinaufschüttung am Osthang der Davidstadt hat sie Teile eines administrativen Gebäudes ausgegraben, das aus der frühen Eisenzeit II stammen soll. Diese Periode wird nach der traditionellen Datierung auf das 10. Jh. v. Chr. datiert, also auf die Zeit des Königs David. Tonscherben aus den Fundamenten der Anlage stammen aus dem späten 11. Jh. v. Chr. (also aus der Zeit der Jebusiter, die dort vor David wohnten). Dies ist die erste bekannte administrative Anlage oben auf dem Gipfel der Davidstadt, die aus der früheren Königszeit datiert. Ob jedoch dieses Bauwerk tatsächlich aus der Zeit Davids stammt (wie Eilat Mazar behauptet) oder aus einer etwas späteren Phase (aus dem 9. Jh. v. Chr.?) wird sich vielleicht bei einer weiteren Grabung klären.
Auch wenn ich persönlich noch nicht davon überzeugt bin, daß diese Anlage aus der Zeit Davids stammt (es fehlen Inschriften, und die Terrassenanlage unterhalb des ‘Palastes’, die mit dem von David und Salomo erbauten Millo gleichgesetzt wird, ist archäologisch älter), halte ich die Grabungen von Mazar in der Davidstadt für äußerst wichtig. Denn Mazar ist eine der sehr wenigen zeitgenössischen israelischen Archäologen, die die Bibel ernst nehmen, und es wäre ihr daher zu wünschen, daß sie künftig auf konkrete Spuren aus der Zeit Davids stoßen wird.
Das allerdings waren nicht die einzigen aufregenden Funde aus der diesjährigen Grabung Mazars. Im oberen Zerstörungsschutt (an der Oberfläche oberhalb der Grabungsfläche) stieß sie auf eine Tonbulle mit dem Abdruck eines hohen Beamten aus der Regierungszeit des letzten judäischen Königs Zedekia (ca. 590 v. Chr.). Der Eigentümer des Siegels, Juchal, der Sohn Schelemjas, wird im Buch Jeremia Kap. 37,3 und 38,1 namentlich erwähnt. Bereits 1982 wurden unweit der jetzigen Grabung in der Davidstadt aus der Schuttschicht der babylonischen Eroberung mehr als 50 Tonverschlüsse geborgen, darunter zwei Siegelabdrücke, die ebenfalls von bekannten biblischen Beamten aus der Zeit des Propheten Jeremias stammen. Dieser Fund ist heute wie damals noch immer eine archäologische Sensation. Um so erstaunlicher, jedoch, daß gerade dieser Fund in der neuen Dokumentarreihe des ZDF nicht erwähnt wurde. Während das Begleitbuch zur Reihe ‘Das Bibelrätsel’ eher die Betonung auf die Abwesenheit der Anhaltspunkte in der Bibel legte, kamen solche tollen Funde – die es selbstverständlich gibt – kaum zur Sprache.
Abb. 2: Tonverschluß des Yuchal (Jer. 37,3) aus der Davidstadt. (Mit freundl. Genehmigung von E. Mazar)
Deshalb halte ich es auch für äußerst wichtig, daß wir uns bei Wort und Wissen intensiv mit der biblischen Archäologie beschäftigen. Solange einerseits wichtige Entdeckungen verschwiegen, andererseits scheinbare ‘Ungereimtheiten’ sofort als Beweis gegen die Bibel verwendet werden, gilt die Herausforderung, auf diesem Gebiet aktiv zu sein.
Durch Forschungsprojekte, durch das Schreiben neuer Bücher und Artikel, wie auch durch die Teilnahme vor Ort an Ausgrabungen in Israel (wie z.B. im administrativen Zentrum Ramat Rachel aus der judäischen Königszeit und in Tel Gat, der Heimatstadt Goliats), wollen wir dazu beitragen, die Geschichte der Bibel anhand der Archäologie lebendig werden zu lassen. Diese Geschichte ist nicht lediglich ein wunderbar erzählter Mythos, sondern uneingeschränkt die wahre Geschichte von Gottes Heilswirken an Israel und der ganzen Welt! Was sie historisch erzählt, will auch als wahre Geschichte verstanden werden. Die Erforschung der biblischen Welt lohnt sich auf jeden Fall. So entdeckten ebenfalls vor kurzem Jerusalemer Archäologen den von manchen Gelehrten bereits für einen Mythos gehaltenen Teich von Siloah im Süden der Davidstadt, wo Jesus den in Johannes 9 erwähnten Blinden geheilt hat.
Die neuen Funde aus Jerusalem machen wieder einmal deutlich, daß die Archäologie weiterhin die biblische Vergangenheit erleuchtet. Unsere Beteiligung an der archäologischen Forschung bei Wort und Wissen ist also ein andauernder Auftrag, der sich ständig neu den Herausforderungen durch neue Entdeckungen einerseits und Angriffen aus den Medien andererseits stellen muß. Sie trägt konkret zur Darlegung der historischen Zuverlässigkeit der Bibel bei und bedarf deshalb auch unserer Unterstützung und Gebete.
Ihr Peter van der Veen
Ursprünglicher Artikel: https://www.wort-und-wissen.org/info/3-05/