Briefe aus Jamnia
„[Die Väter der Bürger von Jamnia] leisteten dem Großvater des Königs viele Dienste. Seine Anweisungen über die Kriegsflotte befolgten sie umgehend.“ Sommer 163 v. Chr.: Die Einwohner der Hafenstadt Jamnia an der Mittelmeerküste zwischen Jaffa (Joppe) im Norden und Asdod im Süden berufen sich auf die Loyalität ihrer Vorfahren, um Antiochus V. zu umgehender Hilfe zu drängen. Üblicherweise ist das Verhältnis der palästinischen Städte zu ihren seleukidischen Herren eher gespannt. Nun aber überschlagen sich die Stadtoberen in ihren Briefen mit Komplimenten und Schmeicheleien. Sie haben alle Grund, besorgt zu sein. Der Aufstand der Judäer gegen die griechischen Zwangsherren Palästinas strebt seinem Höhepunkt zu. Im ersten Makkabäerbuch wird berichtet, wie Judas Makkabäus das fliehende Heer der Seleukiden bei Jamnia stellt. An die dreitausend Mann fallen in dieser Schlacht (1. Makk. 4,15). Als er von einem geplanten Massaker der Stadtbewohner gegen die jüdische Minderheit erfährt, nimmt Judas auch Jamnia im Handstreich: „Darum überfiel er auch sie bei Nacht und verbrannte den Hafen und alle Schiffe, so daß man das Feuer in Jerusalemsah, das doch zweihundertvierzig Stadien (fast 50 Kilometer ) davon entfernt lag“ (2. Makk. 12, 9).
Den Brief, sowie das Antwortscheiben, in dem Antiochus der Stadt die Rechte ihrer Vorfahren bestätigt, fand eine Gruppe Ausgräber um Moshe Fischer von der Universität Tel Aviv im Schutt von Yavneh-Yam, so der moderne Name von Jamnia. Bei den Briefen handelt es sich um 23 cm große Kalksteintafeln. Kopien der ursprünglichen, auf Paparus verfaßten Briefe, vermuten die Ausgräber. In der betreffenden Zeit war es üblich, in Stein gravierte Kopien wichtiger Briefe an öffentlichen Plätzen auszuhängen. Die Briefe fanden sich in einer mächtigen Zerstörungsschicht, die die Forscher allerdings nicht dem erwähnten Überfall Judas Makkabäus sondern einem etwas späteren Ereignis gegen Endes des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts zuschreiben, als die Nachfolger Judas‘ die Herrschaft der Seleukiden endgültig gebrochen und eine eigene (hasmonäische) Monarchie errichtet hatten. Neben den Briefen stießen die Forscher auf eine Reihe weitere Gegenstände, die von der Bedeutung des ehemaligen Hafens zeugen, darunter die Figur einer Harfe spielenden Frau und eine winzige Figur aus Glas, wenig mehr als zweieinhalb Zentimeter hoch, die den ägyptischen Gott Harpokrates, Sohn der Isis, in seiner typischen Haltung mit einem Finger an den Lippen darstellt. Ein geheimer Lagerraum enthielt Keramik-, Glas-, Eisen- und Bronzegegenstände, Münzen sowie fünfundzwanzig in einer Preßform produzierte Gefäße griechischer Herkunft und zwanzig Weinamphoren mit gestempelten Henkeln aus Rhodos.
[Sudilovsky J (2000) From the Ashes. Coastal City Destroyed During Maccabean Revolt. Biblical Archaeology Review 26(2), S. 20.] UZ
Ursprünglicher Artikel: https://si-journal.wort-und-wissen.org/sij/article/view/3905/7465