Ein Altar für das goldene Kalb
In 1. Könige 12 berichtet der alttestamentliche Schreiber, daß Jerobeam, der erste König des Nordreiches Israel nach der Reichsteilung zwei goldene Kälber anfertigen ließ, die er in Heiligtümern in Bethel und Dan aufstellen ließ. Zusätzlich baute er Höhenheiligtümer, beit-bamats (wörtl. Häuser des hohen Platzes), um seine Untertanen davon abzuhalten, weiterhin zum Tempel in Jerusalem zu pilgern. Avram Biran, Direktor der Nelson-Glueck-Schule für Biblische Archäologie in Jerusalem, glaubt einen der beiden Altäre identifiziert zu haben. Biran fand ihn in Dan, nahe einer der Quellen des Jordan im hohen Norden Kanaans. Die Anlage schließt eine etwa 18 Meter lange Plattform aus großen, aneinandergereihten Steinblöcken und eine Reihe von Kultgegenständen wie Öllampen mit sieben Dochten, Pithoi (mit einem Schlangenmuster verzierte große Behälter), Standflächen für Weihrauchgefäße, ein Behältnis gefüllt mit Tierknochen, Ton- und Fayencefiguren und ein eingesenktes, mit schrägen Basaltplatten ausgekleidetes Becken ein. Im alten Israel war das Schlangenmotiv mit Kultpraktiken, insbesondere mit der Anbetung des kanaanitischen Gottes Baal, verbunden. In den Jahrhunderten nach Jerobeam war das Heiligtum immer mehr ausgebaut worden. So fand Biran weitere, teilweise riesige Altäre, die er den Zeiten der Könige Ahab und Jerobeam II. zugeschreibt. Selbst nach der Eroberung der Stadt und der Zerstörung der Befestigungsanlagen durch den Assyrerkönig Tiglath-pileser III. um das Jahr 733/732 v.Chr. entstanden noch neue Altäre. Das religiöse Leben in der Stadt scheint bis weit in die hellenistische Zeit (3.-1. Jhd. v.Chr.) in Blüte gewesen zu sein.
Nirgends sonst in Israel sind soviele Altäre ausgegraben worden wie in Dan. Biran vermutet, daß sie nicht nur für die einheimische Bevölkerung, sondern auch für durchreisende Händler und Fremde bestimmt gewesen sind. Eine schriftliche Entsprechung zu dieser religiösen Praxis findet sich möglicherweise für das Südreich Juda, wo in 2. Könige 18 davon berichtet wird, daß König Hiskia „alle Höhen beseitigte, die Gedenksteine zerschmetterte, die Aschera ausrottete“ und „die bronzene Schlange zerschlug, die Mose gemacht hatte“. Avram Biran ist seit mehr als 30 Jahren mit Grabungsarbeiten in Dan befaßt, wo er die langfristigste Grabung leitet, die jemals in Israel durchgeführt worden ist.
[Biran A (1998) Sacred Spaces. Of Standing Stones, High Places and Cult Objects at Tel Dan. Bibl. Archaeol. Rev. 24, Sept./Okt., 38-45, 70] UZ
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