Fundamentreste des Herodespalastes und die Ausdehnung des antiken Jerusalem

Fundamentreste des Herodespalastes und die Ausdehnung des antiken Jerusalem

Bei Grabungsarbeiten in Jerusalem sind Archäologen der israelischen Altertumsbehörde (IAA) auf Mauerreste gestoßen, die sie aufgrund von Lageangaben des jüdischen Historikers Josephus mit großer Wahrscheinlichkeit als Grundmauern des Palastes Herodes identifizieren. Die parallel verlaufenden anderthalb bis zweieinhalb Meter dicken Mauern aus dem ersten vorchristlichen und ersten nachchristlichen Jahrhundert befinden sich sechs bis acht Meter unter einem Gefängnis aus der türkischen Zeit. Da sie direkt an den Felsen anschließen, vermuten die Wissenschaftler, daß es sich um eine Art Terrasse zur Einebnung des Geländes gehandelt hat, auf der dann der eigentliche Palast errichtet wurde.

Die Mauerreste wurden nahe des Jaffa-Tores und unmittelbar südlich der Zitadelle in der Altstadt von Jerusalem gefunden. Ganz in der Nähe stießen die Forscher auf weitere Mauern aus früheren Zeiten. Eine davon war Teil einer Struktur aus der Hasmonäerzeit (141 ­ 63 v.Chr.) und enthielt einen in der Herodianischen Periode (37-70 v.Chr.) eingearbeiteten Drainagekanal. Auch die Größe dieser Rinne läßt auf ein repräsentatives Gebäude in der Nähe schließen.

Wissenschaftlich ungleich bedeutsamer als das Fundament des Herodespalastes sind die ältesten Mauerreste, die in die Zeit des Südreiches Juda im siebenten und sechsten Jahrhundert v.Chr. datiert werden. Ausgräber John SELIGMAN merkt dazu an: „Wenn dies [d.h. diese Datierung, U.Z.] zutrifft, dann könnte der Fund eine unserer wichtigsten Fragen über die Größe des antiken Jerusalem zwischen den Ansichten der ,Minimalisten‘ und der ,Maximalisten‘ entscheiden.“ Während die ausgesprochen bibelkritischen „Minimalisten“ unter den Altertumsforschern eine Ausdehnung annehmen, die die antike Stadt auf das heutige jüdische Viertel beschränkt, vermuten die „Maximalisten“, daß die Mauern der alten Stadt den westlichen Hügel bis zum heutigen Jaffa-Tor umfaßten, in dessen Nähe die Mauerreste gefunden wurden. Erwiese sich ihre zeitliche Einordnung als zutreffend, dann hätten die „Maximalisten“ tatsächlich ein wichtiges Argument auf ihrer Seite.

Warum kommt der Ausdehnung Jerusalems in der Königezeit eine solche Bedeutung zu? Einer der führenden „Minimalisten“, der dänische Alttestamentler Niels Peter LEMCHE argumentiert aufgrund des nach seiner Ansicht begrenzten Stadtgebietes von etwa vier Hektar, daß in ihren Mauern höchstens 2000 Einwohner mit vielleicht 300 wehrfähigen Männern im Alter zwischen 17 und 45 Jahren gelebt haben könnten. Ein Imperium, wie es das Alte Testament der Herrschaft Davids und Salomos zuschreibt, hätte sich mit einer solchen Streitmacht schwerlich beherrschen lassen, weshalb der biblische Bericht als historisch obsolet abzutun sei.

Es ist freilich anzumerken, daß der Umfang der Stadt in der Zeit dieser Herrscher im 10. Jahrhundert v.Chr. nicht unbedingt der Ausdehnung im 7./8. Jahrhundert entsprochen haben muß. Nach einer, allerdings sehr umstrittenen, Theorie sollte eine Stadt Jerusalem zur Zeit Davids und Salomos sogar überhaupt nicht existiert haben. Der weitere Verlauf des Mauerrestes kann bedauerlicherweise nicht erforscht werden, da er unter der heutigen Polizeistation der Altstadt verläuft.

UZ

[SUDILOVSKY J (2001) Palatial Discovery. Walls may have been part of Herod‘s palace. Biblical Archaeological Review 27:6, 18.]

Ursprünglicher Artikel: https://si-journal.wort-und-wissen.org/sij/article/view/3832/7325

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