Joasch-Inschrift: Was, wenn die Fälschung doch keine Fälschung war?

Joasch-Inschrift: Was, wenn die Fälschung doch keine Fälschung war?

Für Joseph Naveh, Israels führenden Experten auf dem Gebiet alter Schriften ist es eine klare Sache: Die 28 x 23 cm2 große, 7,5 cm dicke Steinplatte mit der eingemeißelten althebräischen Inschrift, die ihm zwei Männer im Sommer 2001 in einem Jerusalemer Hotel zur Begutachtung vorgelegt hatten, ist eine Fälschung. Eigentlich schade, denn der Fund, den Araber außerhalb der östlichen Tempelmauer gefunden haben wollten, wäre eine Sensation gewesen! Enthielte er doch die erste Königsinschrift eines judäischen Königs, die jemals gefunden worden wäre, verfaßt durch Joasch, der etwa von 835 bis 801 v. Chr. regiert hatte. Dessen Name taucht zwar selbst nicht auf, da die Platte an dieser Stelle zerbrochen ist. Dafür läßt sich aber mit Ausnahme des ebenfalls fehlenden ersten Buchstabens deutlich der Name Ahasja lesen, was als „Joasch, Sohn des Ahasja“ zu deuten ist. Der Text liest sich wie folgt: „[Ich bin Joasch, Sohn des A]hasja, König von Juda. Ich legte eine Sammlung (aus Silber) an. Als sie (die Sammlung) vollständig war, die Freigiebigkeit der Herzen der Männer im Land und in der Wüste und in allen Städten Judas, mit der sie reichlich geweihtes Silber gaben, um gebrochene Steine und Wachholderholz und edomitisches Kupfer zu kaufen und die Arbeit in gutem Glauben verrichteten. Und ich reparierte den Tempel, und die Umfassungsmauern, und das berühmte Bauwerk und das Gitterwerk und die gewundenen Treppen und die Vertiefungen und die Türen. Und dieser Tag wird ein Zeuge sein, dass die Arbeit gedeihen wird. Möge Jahwe sein Volk segnen.“

Diese Aussagen finden eine erstaunliche Parallele in 2. Könige 12, wo es ebenfalls König Joasch ist, der eine Sammlung zur Ausbesserung des Tempels durchführen läßt. Nadav Na’aman, ein anerkannter Fachmann der Universität Tel Aviv, hatte den biblischen Text 1998 in einer holländischen Zeitschrift analysiert und war zur Schlußfolgerung gekommen, daß die Passage einer alten Quelle, vermutlich einer Königsinschrift entnommen sein müßte. Und nun die Inschrift, die so hervorragend zu dieser Theorie passen würde. Davon, daß es sich um eine Fälschung handelt, ist jedoch nicht nur Naveh überzeugt. Andere Experten wie Frank Moore Cross von der Harvard University, John- Hopkins-Professor Kyle McCarter und Robert Deutsch von der Universität Haifa schließen sich ihm an und verweisen auf orthographische Fehler und etliche andere Details, die die Fälschung klar entlarven würden. Andere Experten wie Gabriel Barkay von der Bar-Ilan-Universität, Shmuel Safrai, wie Naveg an der Hebräischen Universität tätig, Chaim Cohen von der Ben-Gurion Universität des Negev und André Lemaire von der Sorbonne in Paris sind in ihrem Urteil vorsichtiger und verweisen darauf, daß aus der frühen Eisenzeit II, in die Joasch konventionell datiert wird, zu wenig Material bekannt ist, um zuverlässig zu entscheiden, ob die vermeintlichen Rechtschreibfehler nicht zu dieser Zeit die gängige Schreibart waren. Eine Fälschung ausschließen wollen aber auch sie nicht.

Was die Debatte gegenwärtig erhitzt, ist jedoch ein Gutachten des GSI (Geological Survey of Israel), das aufgrund seiner Untersuchungen zu dem Schluß kam, daß die Inschrift doch authentisch sei. Echte Fundstücke unterscheiden sich in einer Reihe äußerer Merkmale von Fälschungen. Die Forscher haben diese Eigenarten sehr sorgfältig geprüft. Da ist zunächst die ockerfarbene Patina, die sich sowohl in den Schriftrillen als auch in einem größeren Riß und an der oberen Bruchkante des Steins findet. Der Riß erstreckt sich über vier Zeilen und muß sich nach Aussage der Geologen vor dem Ansetzen der Patina, aber erst nach dem Einbringen der Schrift entwickelt haben, da es unmöglich gewesen wäre, die Buchstaben über dem Riß einzuritzen und dabei kleinere Kantenausbrüche zu vermeiden. Die chemische Analyse ergab, daß die Patina denselben Kieselerdeanteil enthält wie der Stein, aber diesem gegenüber Anreicherungen an Kalzium und Eisen sowie Abreicherungen an Kalium und Aluminium aufweist. Die Experten deuten diesen Befund so, daß sich die Patina in einem natürlichen Prozeß auf der Platte entwickelt hat, diese dann jedoch in feuchtem, kalk- und eisenhaltigem Boden begraben war. Im Gegenzug fanden sich keine Klebstoffe oder andere künstliche Materialien, die nötig gewesen wären, wenn potentielle Fälscher authentische Patina von einem anderen alten Objekt auf die Tafel übertragen hätten. Kohlenstoffpartikel in der Patina, die mittels 14C datiert wurden, ergaben mit 95%iger Wahrscheinlichkeit ein Einlagerungsdatum zwischen 400 und 200 v.Chr. Vielleicht am aufregendsten ist, daß in die Patina kleine Partikel reinen Goldes eingeschlossen waren, die, ähnlich wie die Kohlenstoffpartikel, vermutlich bei einem großen Feuer in die Schicht kamen. Wer denkt dabei nicht an den brennenden, mit Gold gefüllten Tempel des Jahres 586 v.Chr. als die Babylonier Jerusalem zerstörten, zumal dieses Datum grob mit der erwähnten 14C-Datierung zusammenpaßt?

Wer immer auch in diesem Streit Recht behält: die Konsequenzen sind in jedem Fall weitreichend. Setzten sich die Paläographen durch, so wäre die Folgerung, daß die „Kunst“ der Fälscher mittlerweile ein so hohes wissenschaftliches Niveau erreicht hätte, daß sie künftig die Forschung fast beliebig manipulieren könnten. Erweist sich umgekehrt das Handwerkszeug der Naturwissenschaftler als überlegen, so wird dies Konsequenzen für die künftige Datierung von Schriftfunden zumindest in der Eisenzeit II haben. Und die Fälschung, die in Wirklichkeit keine gewesen wäre, wäre nicht nur ein an sich beachtenswerter Fund, sie wäre auch ein weiterer Mosaikstein im Erweis der historischen Zuverlässigkeit eines alttestamentlichen Textes.

UZ

[SHANKS H (2003) Is it or isn’t it? King Jeohash inscription captivates archaeological world. Biblical Archaeological Review 29, No.2, 22-23.69.]

Ursprünglicher Artikel: https://si-journal.wort-und-wissen.org/sij/article/view/3810/7284