Tel-Dan-Inschrift neu datiert

Tel-Dan-Inschrift neu datiert

Inschriftenfunde sind in der Archäologie Palästinas, anders als etwa in Ägypten, extrem selten. Das erklärt u. a. das Aufsehen, das das 1993 in Tel-Dan (Nordgaliläa) gefundene Stück einer Basaltstele erregte, auf dem die israelischen Ausgräber A. BIRAN und J. NAVEH den Ausdruck „BYTDWD“ entzifferten, den sie mit „Haus David“ übersetzten. Es war das erste Mal, daß der Name David in einem außer-biblischen Dokument aufgetaucht war. Kritiker wie P.R. Davies, für den David ebenso wenig eine historische Persönlichkeit ist, wie etwa der legendäre König Arthur, hielten „Haus David“ denn auch für eine Fehlübersetzung, wobei sie u. a. auf die fehlende Worttrennung zwischen BYT und DWD (Haus und David) hinweisen. Als kritischerer Einwand erwies sich jedoch die zeitliche Zuordnung der Stele zu den alttestamentlichen Berichten; eine Problematik, mit der sich kürzlich R.M. PORTER im „Journal of the Ancient Chronology Forum“ auseinandergesetzt hat. BIRAN und NAVEH hatten die Stele zunächst in das frühe 9. Jahrhundert v. Chr. datiert. 1. Könige 15, 16-22 berichtet, wie sich zu dieser Zeit König Asa von Juda mit dem aramäischen (syrischen) König Ben-Hadad gegen seinen Rivalen im Nordreich Israel verbündet hatte. In der Inschrift berichtet der syrische Autor jedoch, er habe sowohl gegen Israel wie auch gegen Juda gekämpft. Ein Jahr nach der Tel-Dan-Publikation, 1994, berichtete der Franzose A. LEMAIRE von einer weiteren „Haus David“-Inschrift, die er bei der Neuauswertung der berühmten Mesa-Stele im Pariser Louvre ausfindig machen konnte. Beide, Tel-Dan-Stele und Mesa-Stele ähneln sich auffällig, sowohl was die äußere Form angeht als auch den Inhalt. Die Mesa-Stele war bereits 1868 in Dibon, östlich des Jordan entdeckt worden. LEMAIRE datiert sie in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts v. Chr., also um einige Jahrzehnte jünger als die Tel-Dan-Stele. Seine Deutung wurde im letzten Jahr bestätigt, als weitere Fundstücke in Tel Dan eine um 40 bis 80 Jahre deutlich niedrigere Datierung auch der Tel-Dan-Stele erforderlich machten. Im Jahre 1994 war jedoch ein weiteres Problem aufgetaucht, als R. CHAPMAN bei der Untersuchung der Fundstätte die Vermutung äußerte, das zuerst gefundene Fragment gehöre nicht, wie bis-her angenommen in Stratum III, sondern in eine ältere Schicht, möglicherweise IV A, die bislang von der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts bis zum Beginn des 9. Jahrhunderts datiert wird. Sollte CHAPMAN Recht behalten, dann wäre das Ergebnis eine chronologische Unmöglichkeit, bedeutet es doch, daß das Mauerwerk um mehrere Jahrzehnte älter wäre als das eingebaute Bruchstück. PORTER deutet diesen Widerspruch aus der Fehlerhaftigkeit der gegenwärtig akzeptierten archäologischen Chronologie in Palästina und weist daraufhin, daß er sich bei Annahme der von D. ROHL oder P. JAMES vorgeschlagenen alternativen Chronologien vollständig auflöst. Beide Autoren haben Anfang der 90er Jahre Chronologien vorgeschlagen, die die Datierung der einzelnen archäologischen Strata deutlich ver-ändern würden. U.a. wären so auch die eisenzeitlichen Schichten von Tel Dan jünger als bisher angenommen.
[PORTER M ( 1995) Dating the Stela from Tel Dan. Journal of the Ancient Chronology Forum 7, 92-96] UZ

Ursprünglicher Artikel: https://si-journal.wort-und-wissen.org/sij/article/view/4112