Warum tut Gott manchmal für uns Unverständliches?

Warum tut Gott manchmal für uns Unverständliches?

Von Werner Gitt

Immer dann, wenn uns selbst unverhofftes Unglück trifft oder wir ganz in der Nähe mit Leid und Tod konfrontiert werden, tauchen existenzielle Fragen auf: „Wie konnte Gott so etwas zulassen?“ – „Wo war Gott, als das geschah?“ – „Warum traf es gerade mich oder unser Land?“

Abb. 1: Freudige Entscheidungen für Jesus Christus an der Universität Asuncion.

In der Zeit vom 13. August bis 8. September 2004 war ich zu zahlreichen Vorträgen in Paraguay. Kurz zuvor, nämlich am 1. August 2004, gab es ein Feuerinferno in einem großen Einkaufszentrum (Supermercado) in Asunción, der Hauptstadt Paraguays, bei dem viele Menschen in den Flammen umkamen. Dieses schreckliche Ereignis hat die obigen Fragen sehr aktuell ins Bewußtsein gerufen. Wenn wir in den Nachrichten von Katastrophen irgendwo auf der Welt hören, gehen wir nur allzu schnell darüber hinweg. Offenbar ist alles so weit weg, daß man bald zur Tagesordnung übergeht. Geschieht so etwas aber in der eigenen Stadt und kennen wir vielleicht gar den einen oder anderen der persönlich Betroffenen, dann sind wir zutiefst schockiert. Um ein Haar hätte es doch auch uns treffen können. Hat uns Gott noch einmal verschont, weil wir ihm wertvoller sind als die Umgekommenen?Als zur Zeit Jesu der Turm von Siloah umkippte und 18 Personen begrub (Luk 13,1-5), tauchten auch dort sofort die Warum-Fragen auf. Jesus sagte den Bestürzten: „Meint ihr, daß die achtzehn … schuldiger gewesen sind als alle anderen Menschen? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, wer-det ihr alle auch so umkommen.“ Jesus lehrt uns damit zwei wesentliche Dinge:

  • Die Umgekommenen waren nicht größere Sünder als die Überlebenden, und
  • das Unglück ist ein Bußruf an die Überlebenden – und damit auch an uns.

Abb. 2: Evangelisationsversammlung in der vollbesetzten Sporthalle in der Kolonie Volendam.

Ein weiterer Gedanke, der uns das Feuerinferno von Asunción besser zu verstehen hilft, steht in Amos 3,6: „Ist etwa ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut?“ Diese Aussage mag uns im ersten Augenblick entsetzen: Gott läßt das Unglück nicht nur zu; mehr noch: er ist sogar dessen Urheber. Das paßt doch gar nicht so recht in unsere verniedlichende Vorstellung „vom lieben Gott“. Bedenken wir aber: Derselbe Gott hat eine Sintflut veranlaßt, bei der Millionen von Menschen jämmerlich ertranken. Derselbe Gott hat über die Amalekiter das Gericht verhängt, das ganze Volk mit Stumpf und Stiel auszurotten (1 Sam 15,2-3). Derselbe Gott spricht auch das ewige Verdammungsurteil über die Gottlosen (Offb 21,8). Dennoch ist dieser Gott die Liebe in Person (1 Joh 4,16). Es ist auch derselbe Gott, der „seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn (ewig!) leben sollen“ (1 Joh 4,9).Bei dem Brand im Supermercado von Asunción kamen über 400 Personen um. Das Entsetzen darüber hat ganz Paraguay ergriffen. Stellen wir uns einmal vor, dieselben Personen wären nach und nach innerhalb eines Jahres gestorben – der eine an Krebs, der andere an einem Herzinfarkt, wieder ein anderer durch einen Autounfall usw. Außer den unmittelbaren Angehörigen hätte sonst kaum jemand Notiz davon genommen. Durch die Konzentration des Leides auf ein Einzelereignis aber ging ein aufgewühltes Fragen nach Gott durch das ganze Land. Haben die Menschen das Unglück als einen göttlichen Bußruf verstanden? Ich fand darauf eine selbst erlebte Antwort:Während meines Aufenthaltes in Paraguay hatte ich auch etliche Vorträge an der Nationalen Universität (Universidad Nacional de Asunción). Bei all diesen Veranstaltungen fand ich unter den Studenten eine so ungewöhnliche Offenheit bezüglich des Evangeliums, wie man es an Universitäten sonst wohl nirgends erlebt. So waren z. B. an einem Abend etwa 200 Zuhörer zu dem Thema „Herkunft des Lebens aus der Sicht der Information“ gekommen („En el principio existía la Información – El origen de la vida“). Es war eigentlich ein mehr wissenschaftliches denn ein evangelistisches Thema. Am Ende sagte ich, daß man diesen Gott auch persönlich kennenlernen könne. Wer das will, darf zurückbleiben. Wie überrascht war ich, als sich fast ein Viertel der Studentinnen und Studenten zu Jesus Christus bekehrten. Mich bewegt die Frage: Hätte es diese Bereitschaft zur Hinwendung zu Gott auch gegeben, wenn es so kurz zuvor kein Unglück in der Stadt gegeben hätte? Gottes Liebe möchte uns auch ohne Unglück den Himmel schenken. Unser versteinertes und stolzes Herz aber fragt oft erst nach Gott, wenn uns etwas Unüberhörbares aus dem Schlaf rüttelt.

Ursprünglicher Artikel: https://www.wort-und-wissen.org/info/4-04/